Page 8 - 32. Kongress des Club Of Logistics
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Deutschland – Hort wirtschaftlichen Analphabetentums



          Die dominante negative Einstellung der Deutschen zu dem Wirtschaftssystem, dem sie ihren Wohlstand verdan-
          ken, deutet darauf hin, dass in unserem Bildungssystem die Vermittlung wirtschaftlicher Zusammenhänge eine
          bei Weitem zu geringe Priorität einnimmt. Noch immer glauben gerade junge Menschen, Kapitalismus sei ein
          System, das sich Reiche ausgedacht haben, um ihren Reichtum auf Kosten anderer auszubauen. Wie überhaupt
          freier Handel, Arbeitsteilung und ein Markt zustande kommen, dass Marktwirtschaft eben gerade nicht ohne,
          sondern nur unter Einhaltung fester Fairnessregeln funktioniert, dass sie Risiko unter dem Strich belohnt und
          dass ihre Mechanismen zu gesteigertem Wohlstand, günstigeren Preisen und steigender Qualität von Produkten
          und Services führen und hohe Sozial- und Umweltstandards erst ermöglichen – dies
          alles ist weitgehend unbekannt.


          Wenn ganze Generationen als Kapitalismusanalphabeten aufwachsen, ist es kein Wunder, dass am Ende genau
          das  Gesellschaftsklima  entsteht,  das  heute  Deutschland  lähmt:  antikapitalistisch,  risikoscheu,  marktfeindlich,
          staatsgläubig. Gerade die intellektuelle Schicht, die seit Jahrzehnten die Deutungshoheit über die gesellschaftlich
          relevanten Fragen für sich in Anspruch nimmt, zeichnet sich nur allzu oft durch mangelnde Kompetenz in Sachen
          Wirtschaft und Technologie aus. „Wir wissen doch alle, dass der Kapitalismus Armut erzeugt”, behauptete der
          verstorbene Publizist Roger Willemsen in einer Talkshow und nicht ein einziger anwesender Journalist oder Poli-
          tiker fragte zurück, wer denn dann eigentlich den Reichtum erzeugt. Das Verteidigen einer offenbar problema-
          tischen Wirtschaftsform, die Aufklärung über die Bedeutung des freien Unternehmertums für Wohlstand und
          Fortschritt auch auf gesellschaftlichem Gebiet – hierfür engagiert man sich offenbar in Deutschland nur ungern.

          Die Folgen sind überall sichtbar: Planwirtschaft in der Energieversorgung; immer neue regulatorische Auflagen,
          die die Unternehmen belasten; eine bis ins Groteske übersteigerte Umweltfürsorge; verängstigende, ständig
          Katastrophen an die Wand malende Medien; Verachtung gegenüber wirtschaftlichen Interessen; Bestrafung von
          Leistungsträgern. Insgesamt führt dies zur einzig nachweisbaren Klimakatastrophe, der des Innovationsklimas:
          Ängstlichkeit,  Stillstandsmentalität,  Widerstand  gegen  Wandel,  Misstrauen  gegen  Freiheit,  kollektivistisches
          Denken. Die sich daraus ergebende geistige Erstarrung bringt es mit sich, dass in der Gesellschaft ideologisch
          belegte Konzepte als unhinterfragbare Diskursvoraussetzungen akzeptiert werden. Nachhaltigkeit, Gleichheit,
          Konsens und so weiter werden behandelt als ob sie von Gott selbst den Eliten
          auf dem Berg Zugspitze als Gebote überreicht worden wären. Diese Erstarrungshaltung bildet auch die Basis
          dafür, dass wir Deutsche uns von Technologien aus rein ideologischen Gründen verabschieden.


          Das geistige Klima in Deutschland nähert sich in diesem Jahrhundert immer mehr den Vorgaben zur Einrichtung
          eines  Altenheims:  Vorsorgeprinzip,  Risikovermeidung,  Verhindern  von  Störungen  des  Immer-Gleichen.  Darin
          steckt die Quintessenz der Nachhaltigkeit: Stillstand. Der hier zum Vorschein kommende Widerstand gegen Ver-
          änderung bedeutet nichts anderes als die Verweigerung des Fortschritts. Und da erfolgreiche Unternehmen die
          Träger des Fortschritts sind, folgt hieraus eine oft wenig bewusste Quelle des Antikapitalismus. Die Trägheit in
          den Köpfen ist wohl ein viel wirksameres Hindernis für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
          Wirtschaft als mangelndes Kapital oder Fachkräftemangel. Sie bereitet den Boden für die Abwendung großer
          Teile der Bevölkerung vom Unternehmertum. Götz Klink, Partner bei A.T. Kearney und renommierter Mittel-
          standsexperte, verweist auf entsprechende Studienergebnisse: Gut jeder dritte deutsche Studierende würde am
          liebsten im öffentlichen Dienst arbeiten; 72 Prozent der deutschen Nachwuchskräfte wollen keine Unternehmer
          werden; zwei Drittel der Deutschen stehen Innovationen  grundsätzlich misstrauisch gegenüber. „Dieses gesell-
          schaftliche Klima schafft keinen gesunden Nährboden für Unternehmertum und Innovationsfähigkeit“, stellt Götz
          Klink fest.













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