Page 10 - 32. Kongress des Club Of Logistics
P. 10
„Wir bauen uns die Welt wie sie uns gefällt“
Zur Trägheit des Denkens in Deutschland gesellt sich eine auf allen Made in Germany sichert unseren Welt-
Ebenen zu beobachtende Realitätsferne – unfreiwillig dokumen- rang für alle Zeiten. Wer könnte deut-
tiert durch die Solodarbietung von Andrea Nahles (SPD), die im schen Autos denn schon widerstehen –
Bundestag das Pippi-Langstrumpf-Motto anstimmte: „Wir bauen selbst im Jahr 2050? Und wer könnte sich
uns die Welt wie sie uns gefällt.“ Der Komplettausstieg aus allen an Deutschlands Weg zu Gerechtigkeit
gleichmäßig liefernden Energieträgern bei gleichzeitigem hoch und Reinheit von Luft und Sprache kein
subventioniertem Einstieg in volatile erneuerbare Energien geht Beispiel nehmen?
in dieser Parallelwelt einfach und zu einem Pro-Kopf-Aufwand,
der dem Preis für eine Eiskugel entspricht. Unsere Klimapolitik Naiverweise scheint man in Deutschland
kann (per Thermostat im Kanzleramt?) die Weltdurchschnitts- auch an eine Vorbildrolle zu glauben,
temperatur binnen Jahrzehnten zehntelgradgenau einregeln. obwohl uns bei all den ideologischen
Millionen Zuwanderer lassen sich ratzfatz und spannungsfrei in Lieblingsprojekten kaum jemand folgt.
unser Gesellschaftssystem und den Arbeitsmarkt integrieren. Damit verbunden ist ein unerschütter-
Konflikte auf der Welt lassen sich immer durch Verhandeln lösen licher Glaube, auf der Seite des Guten
und Toleranz gegenüber der Intoleranz führt zu einer friedliche- zu stehen, moralisch führen zu müssen.
ren Welt. Unsere aus der Zeit rasanten Wachstums von Bevölke- Alexander Mitscherlich hat es vornehm
rung und Wirtschaftsleistung stammenden Sozialsysteme funk- formuliert, als er vom „unbändigen Hang
tionieren ad infinitum weiter („Die Rende is sischer!“). „Soziale der Deutschen zur Selbstidealisierung“
Gerechtigkeit“ (was immer das ist) kann mit ein paar fiskal- und sprach. Matthias Matussek formuliert es
verfahrenstechnischen „Maßnahmen“ hergestellt werden. Eine krachend: „Wir Deutschen … sind die Er-
an politischer Korrektheit und den sie definierenden Meinungs- finder der Ethik der selbstlosen Zudring-
führern orientierte Kontrolle und Säuberung der Sprache besei- lichkeit. Mit unserer Selbstgerechtigkeit
tigt alles, was die dadurch tabuisierten Begriffe offenbaren oder und dem unbedingten Glauben an eine
anrichten können – gemäß dem magischen Prinzip: „Wenn ich es Sendung sind wir … zum Weltmeister
nicht benenne, existiert es nicht.“ Regulierende „Maßnahmen“ der guten Gesinnung geworden. Und wir
können erreichen, dass in unserem Land niemandem mehr etwas behaupten diesen Titel mit einer Rigoro-
zugemutet werden muss, dass sich niemand mehr verletzt oder sität, die nicht nur das Dissidententum
benachteiligt fühlen muss. Unterschiede zwischen persönlichen, im eigenen Volk streng überwacht, son-
geschlechtlichen und kulturellen Prägungen und Merkmalen las- dern auch die Nachbarvölker unter Druck
sen sich wahlweise beliebig verwischen oder herausstellen. Und setzt. Tatsächlich hat der deutsche Tota-
als Krönung der Naivität und Arroganz: Unsere erprobten Rezep- litarismus eine Achsendrehung ins ‚Gute’
te für wirtschaftliches und gesellschaftliches Gedeihen werden genommen.“
auch in der Zukunft tragen.
Überall offenbart sich dabei der un-
erschütterliche Glaube an das Rezept
staatlicher Regulierung. Bürokratische
Prozesse sind anscheinend das Allheilmit-
tel für alle Übel der Welt. Ganz nebenbei
sind sie aber neben dem ideologisierten
gesellschaftlichen Klima einer der Toten-
gräber der unternehmerischen Freiheit,
die den Deutschen die Grundlage dafür
verschafft, dass sie Zeit, Geld und Energie
dafür haben, die Welt mit sozialen und
ökologischen Utopien zu beglücken.
10