Page 5 - 29. Kongress des Club Of Logistics
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Wachsende Anforderungen …
Wer das Stadtbild der deutschen Großstädte der 1960er- den Zahl von Einzellieferungen und treibt die Transport-
und 1970er-Jahre erlebt hat, wird um eine Erkenntnis aktivität in Innenstädten und angrenzenden Stadtteilen
nicht herumkommen: So gerne wir Deutsche klagen und in die Höhe.
schwarz sehen: Die Lebensqualität in unseren Metropo-
len hat sich seither unter dem Strich enorm erhöht. Von … erfordern intelligente Antworten
der Reduzierung der Belastung mit gefährlichen Abgasen
über die Verminderung der Lärmbelästigung durch Ein-
führung von Fußgänger- und verkehrsberuhigten Zonen Die Antworten, die die Verantwortlichen derzeit auf die-
bis hin zum Ausbau eines multimodalen Netzes von öf- se und viele weitere Problemzonen des städtischen Le-
fentlichen Verkehrsmitteln – nie zuvor stand das Wohl- bens und Wirtschaftens geben, sind in aller Regel „klein-
ergehen der Stadtbewohner so stark im Mittelpunkt teilig“, das bedeutet: Es werden spezielle Lösungen für
stadtplanerischer Aktivitäten wie heute. Nicht zuletzt ist ein gerade besonders sichtbares Problem gesucht. Her-
dies dem drastisch gewachsenen Wohlstandsniveau zu aus kommen dann kurzfristige Erleichterungen, die aber
verdanken, denn auch für das Stadtleben gilt: ohne Wohl- die grundsätzlichen Herausforderungen des zukünftigen
stand keine Lebensqualität. Stadtlebens, die infolge der sich wandelnden Lebens-
und Arbeitsformen und der Entwicklung neuer Techno-
Doch mehr noch als die Bevölkerungszahl sind die An- logien stets im Fluss sind, nicht nachhaltig beantworten.
sprüche an die Versorgungsinfrastruktur gewachsen. Sie
führen nicht selten zu widersprüchlichen Entwicklungen, Was das Thema Transport von Menschen und Waren an-
die sowohl die Planer als auch die Versorgungsstrukturen geht, fordern daher die meisten Experten eine wirksame
vor schwer zu lösende Aufgaben stellen. Die Forderung Umsetzung eines intelligenten Vernetzungskonzepts.
nach einem immer größeren Warenangebot kollidiert Dies beginnt bereits bei der Wahrnehmung des betrof-
beispielsweise mit der Forderung nach Verkehrsberuhi- fenen Raums: Lösungen für die Innenstädte können nicht
gung. So häufen sich die Klagen über den Lärm und die weiter völlig losgelöst von der Situation der umliegenden
Straßenverstopfung durch den Lieferverkehr (insbeson- Stadtteile, der Industriegebiete und der „Schlafstadtgür-
dere in den Morgenstunden), während gleichzeitig die tel“ um die Großstädte entwickelt werden, ohne dass es
Regale der (in manchen Städten spärlich gewordenen) zu Brüchen in den Lieferketten oder anderen Verwerfun-
Innenstadt-Supermärkte über die gesamte Zeitspanne gen kommt, die das Zusammenleben im Ballungsraum
der immer längeren Öffnungszeiten mit frischer Ware erschweren.
aufwarten sollen.
Zum Vernetzungsgedanken gehört, dass unabhängig von
Hinzu kommt die wachsende Nutzung des Onlinehandels, der technischen Entwicklung auch die bereits heute in
der die Zahl der Lieferprozesse in die Höhe schnellen den Städten vorhandenen Mobilitätsangebote flexibler
lässt. Unterschiedlichste Distributionslogistiker beliefern genutzt werden, um die Verkehrsdichte zu senken und
Geschäfte und Privatpersonen und sorgen für das von die drangvolle Enge in den Stoßzeiten zu entzerren. Die
den Stadtbewohnern selbst verursachte, aber lautstark flexible und kombinierte Nutzung sich ergänzender Ver-
beklagte „Innenstadtchaos“, in dem der Lieferwagen in kehrsmittel (Stichwort: Intermodalität) hat sich bereits in
zweiter Reihe parkt, weil er nur so sein Paket fristgerecht vielen Großstädten etabliert. Hierfür stehen zahlreiche
an den Onlinekunden oder die Frischware ins Feinkost- technologische Entwicklungen zur Verfügung, die bei der
geschäft bringt. Umsetzung weitsichtiger Verkehrskonzepte helfen, etwa
die Bereitstellung
Eingebettet sind diese urbanen Engpässe in das überge- und Vernetzung von Informationen durch mobile Dienste
ordnete Ziel einer nachhaltigen, umwelt- und klimaver- (beispielsweise mobilitätsbezogene Apps).
träglichen Zivilisation. Forderungen nach Reduzierung
der CO2- und Feinstaubemissionen tragen gewisserma- Moderne Mobilitätsalternativen wie Car- und Bike-Sha-
ßen „von außen“ einschränkende Rahmenbedingungen ring sind zwar Ausdruck des wachsenden Bewusstseins
an die logistische Stadtentwicklung heran. Ein weiterer für die Umgestaltung der Transportinfrastruktur. Sie sind
Einflussfaktor auf die Citylogistik, der in Zukunft an Be- aber nicht einfach bequeme Heilmittel für eine brenzlige
deutung gewinnen wird, ist die Alterung der Bevölke- Situation. Vielmehr bringen sie wieder eigene Herausfor-
rung. Ältere Menschen werden zunehmend bequeme derungen mit sich, denn sie stellen auch neue Anforde-
Lieferdienste nutzen, um sich mit Waren, aber auch mit rungen an die Nutzung, Ausstattung und Gestaltung des
Lebensmitteln zu versorgen. Dies führt zu einer steigen- städtischen Raumes.
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